Lesung von Walter Pilar in der Alten Schmiede am 17. März 2016

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Walter Pilar mit Gerhard Jaschke unterm „Bannerhammer“ der Alten Schmiede in Wien.

alle Fotos: © Peter Putz, www.ewigesarchiv.at

Walter liest aus der 3ten Welle. Ich habe eigentlich alles schon einmal gehört, gelesen sowieso. Und doch, bei jeder Wiederbegegnung mit den Texten gibt es zuerst die Freude darauf, sie wieder zu hören, dann die Freude darüber, dass es immer raffinierter kommt – also auch schon früher war – als erinnert. Überraschende Endungen, Wendungen und Wörter(ver)drehungen erblühen zur sprachlichen Flora auf diesem Textberg, dessen Tektonik sich immer neu erschliesst und weiter bewegt, verändert. Und wieder und wieder erklingen die Einwortgedichte: Bedeutungs- bosheits- und witzgeladene Miniaturen – jedes Wort ein one hit wonder.

Georg Nussbaumer

 

Die dritte Welle Deines Lebenssees, lieber verehrter Freund & Kollege Walter Pilar, möge noch viele in Begeisterung und Staunen versetzen. Mit dieser wie mit den vorangegangenen Wellen hast Du Dir wahrlich eine Spitzenposition in der Gegenwartsliteratur nicht nur im deutschsprachigen Raum erschrieben – und Deine Vortragskunst war schon immer eine ganz spezielle, durch die Du selbst völlig Unverständliches wie Vulgonamen von Personen und Orten zu landläufig bekannten machst. Das mag auch an das Duo Attwenger erinnern, das weltweit gehört und verstanden wird.

Gerhard Jaschke

 

Sich dem großen Entwurf, der autobiographischen Totale zu nähern, das weiß Walter Pilar, ist heute nur noch möglich über extreme Heterogenität. So sind seine Lebenssee-Bände zusammengesetzt aus den unterschiedlichsten Formen und Textsorten: visuelle Poesie, Lautdichtung, Dialektgedichte, narrative Passagen und Dokumentarisches ergänzen sich zu einem Patchwork. Im Rahmen einer Lesung von diesem Reichtum eine Vorstellung zu geben, ist nun wirklich keine einfache Aufgabe. Der Vortragskünstler Pilar meistert sie bravourös. Als Zeuge zweier Abende (in Linz und in Wien), an denen er die 3. Lebenssee-Welle präsentierte, war ich zudem verblüfft, wie unterschiedlich diese beiden Lesungen sich gestalteten: Hier wurde kein starres Programm abgespult, der Autor gestattete sich Freiräume, traf spontane Entscheidungen, Texte wegzulassen oder in die Lesung einzubeziehen, kommentierte und reagierte spontan auf Situationen und auf das Publikum. Alles ist im Fluß, und das Mosaik gruppiert sich immer wieder neu.

Florian Neuner, im April 2016

 

Bücher des Jahres (I): Walter Pilar

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Zu den reizvollsten Aufgaben von Literaturzeitschriften zählt es zweifellos, literarische Großprojekte in ihrer Genese zu begleiten. Zu den eigensinnigsten darf man gegenwärtig Walter PilarsLebenssee rechnen. Sebastian Kiefer spricht in seiner Rezension zutreffend davon, daß Pilar in seinem mehrbändigen »autoautopsischen Biograffäweaks« sprachlich in Szene setzt, »wovon der Literaturbetrieb nur konsequenzlos redet – die Pluralisierung der schreibenden Zugänge der Welt als Herausforderung anzunehmen. In 100 gewitzten Brechungen wird noch einmal ein Abglanz des Ganzen sichtbar.« Pilar hat erkannt, daß ein autobiographisches Projekt wie seines nach den Erfahrungen der Moderne nicht mehr mit den Roman-Mitteln des 19. Jahrhunderts umgesetzt werden kann (bzw. dann eben die ästhetische Irrelevanz eines solchen Textes zur Folge hätte) – und zieht auch in der »3. Welle« geradezu wahnwitzig viele Register, von in der Tradition der konkreten Poesie stehenden Texten und die Dialekte des Salzkammerguts aufnehmenden Lautdichtungen bis hin zu Verfahren der dokumentarischen Literatur.

Als ich Walter Pilar Anfang…

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Lebenssee ~~~ Wandelalter

cropped-pilar-lebenssee-iii-wandelalter.jpegIn Walter Pilars Lebenssee ~~~  finden Impulse individueller Spurensuche mit solchen reflexiver Geschichtsschreibung zu einem in der österreichischen Gegenwartsliteratur singulären work in progress zusammen. Versammelt sind darin verschiedenartige skurreale Arbeiten aus vier Jahrzehnten: von Bild- und Lautgedichten, schwankhaften bis chronikartigen Geschichten und auto/biographischen Erzählungen bis zum Abdruck von Originaldokumenten wie Briefen und Fotos aus privaten und öffentlichen Archiven.

Organisiert nach dem Bauplan eines Flügelaltars umspannen die Texte, die auf vielerlei Art aufeinander Bezug nehmen, einen ganzen regionalen Kosmos: von den Grundfischen des Traunsees bis in wirkliche und vermeintliche Höhen von Kunst und Zivilisation. Historische Tiefenbohrungen (z.B. ins Bürgerkriegsjahr 1934, ins Umfeld des KZ Ebensee oder in die unmittelbare Nachkriegszeit) bringen die Ansichtskartenkulisse des Salzkammerguts gehörig ins Wanken.

(Paul Pechmann, Lektor von Ritter Literatur)

 

 

… Es muss aber gesagt werden, besser: Es muss gesagt werden können – in der Antike waren es die Kyniker, die es sagten, dass nämlich Menschen grundsätzlich nicht in sokratischen Höhen schweben, sondern dass sie durch Verdauung und Ausscheidung definiert sind. Peter Handke hat es geschafft (ich meine das nicht ironisch), den Abort zum Ort der mehr oder weniger edlen Abgeschiedenheit zu machen, wo man als Dichter in Einsamkeit und Freiheit sitzt. Wieder auf dem Boden der Skurrealität klingt es aber so wie im Buch des Walter Pilar. In »Lebenssee. Wandelalter« ist der persönliche Vorgang des Scheißens in aller Form beschrieben. Nachdenklich sagt schließlich der Ich-Erzähler: »Also reflexiv, gleichwie entspannt zwischen Meta- & Dekaphysik, sprach ich leise vor mich hin: ›Jetzt deaff’ ma uns wiaklich Abendland nenna!‹« …

(Franz Schuh, „Walter Pilars Seenwerk“, in: Datum – Seiten der Zeit, Heft 5/15)

 

 

Die geniale Idee im Leben des im oberösterreichischen Industriekaff Ebensee aufgewachsenen Dichters und Zeichners Walter Pilar tauchte in den frühen 1990er-Jahren auf: Er begann zu untersuchen, wie man mit Worten (und Bildern) auf sich und die Welt und seine eigene, provinzielle Lage darin reagieren kann, ohne provinziell zu sein. (…)

Er hat die konkrete Poesie, das Dokumentarische, die Montage und Konzeptkunst eigenwillig erprobt, seinen Sinn für Komik, Groteskes und Pikareskes in vielen Modi geschult und die fantasievollsten Weisen hervorgebracht, „Mund-Art“ neu zu instrumentieren – vom Pastior-artigen Lautgedicht bis hin zu kunstvoll mit reichem Wortmaterial ausgestatteten und verfremdeten Beschreibungsetüden. (…)

Das „Lebenssee“-Projekt ist nichts Geringeres als eines der großen Dichtungsereignisse der Gegenwart. Es erobert eine neue Dimension im Umgang mit dem heute allseits debattierten Thema Heimat und Provinz, weil es realisiert, wovon der Literaturbetrieb nur konsequenzlos redet – die Pluralisierung der schreibenden Zugänge zur Welt als Herausforderung anzunehmen. In 100 gewitzten Brechungen wird noch einmal ein Abglanz des Ganzen erfahrbar.

(Sebastian Kiefer, in: Falter 51/15, 16. 12. 2015)

 

ISBN: 978-3-85415-526-3
Buchpreis: € 18.90
384 Seiten, Farb.- und SW. Abb., 2. verbesserte & erweiterte Auflage, 12/15

Ritter Verlag